Gut gebrauchter Supercomputer für 480.000 US-Dollar versteigert

2016 war er eine der schnellsten Maschinen der Welt – nun ist der Supercomputer "Cheyenne" verkauft worden. Er dürfte wohl nie wieder laufen.

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Der Supercomputer Cheyenne besteht aus den Compute-Racks mit dem Logo, links und rechts davon stehen die Kühleinheiten. Ganz links befinden sich zwei der I/O-Racks.

(Bild: NCAR, Bearbeitung: heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Die US-Regierung hat den Supercomputer "Cheyenne" mittels eine Auktion für rund 480.000 US-Dollar verkauft. Das System war bis Ende 2023 in Betrieb und muss von dem nicht bekannten Käufer am Rechenzentrum NWSC in Cheyenne abgeholt werden, das die Hauptstadt des US-Bundesstaats Wyoming ist.

Der Vorgang ist interessant, weil die Abwicklung des Verkaufs und auch die Daten sowie die nun historische Bedeutung der Maschine einen Einblick in die Veränderungen bei Supercomputern bieten. Diese werden in der Regel erst stillgelegt, und später Stück für Stück verkauft oder in Teilen für andere Aufgaben benutzt – und manchmal durch die Betreiber auch schlicht verschrottet. Als Cheyenne 2016 gebaut wurde, landete er auf Platz 20 der Top-500-Liste der schnellsten Computer der Welt. Genutzt wurde er vorwiegend für Forschungsprojekte verschiedener Universitäten und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen.

Mit einer Laufzeit von sieben Jahren – geplant waren ursprünglich nur fünf – hat Cheyenne eine für diese Maschinen recht lange Betriebsdauer erreicht. Durch steigende Rechenleistung in der Chipentwicklung bei im Verhältnis sinkender Leistungsaufnahme ist eine längere Nutzung als typischerweise zwei bis vier Jahre nicht wirtschaftlich.

Cheyenne benötigte in der Spitze 1,7 Megawatt für eine Rechenleistung von 5,4 Petaflops (Rmax). Für rund dieselbe elektrische Leistung sind heute beispielsweise durch das Booster-Modul der Maschine "Juwels" am deutschen Forschungzentrum Jülich rund 71 Petaflops zu haben, also über dreizehn Mal so viel Performance. Der Vergleich ist nicht ganz fair, weil Juwels – wie die meisten der heute schnellsten Supercomputer – vorwiegend mit Nvidia-GPUs rechnet, in diesem Falle 3744 H100-Module von Nvidia. Nicht alle Anwendungen lassen sich so gut parallelisieren, dass sich der Betrieb auf GPUs lohnt.

Der jetzt versteigerte US-Rechner stammt jedoch noch aus den letzten Jahren der Ära der x86-CPUs mit vielen Kernen für Supercomputer. Cheyenne rechnet mit 8064 Xeon-CPUs vom Typ E5-2697v4, welche je 18 Broadwell-Kerne besitzen. Ausgehend von Intels Listenpreis – den Forschungsinstitutionen in der Regel nicht annähernd bezahlen müssen – waren allein die Prozessoren 2016 über 21 Millionen US-Dollar wert.

Solch technisch veraltete Hardware aus einem Supercomputer heute noch für Dauerrechnen einzusetzen, ergibt aber wiederum wirtschaftlich kaum Sinn, zumal sich die Komponenten auf Ebene des Siliziums kaum auf Zuverlässigkeit testen lassen. Das gilt auch für die 16-GByte-DIMMs aus DDR4-Speicher, aus denen die 18 oder 9 Terabyte RAM pro Rack bei Cheyenne bestehen. Selbst ECC-Speicher kann durch ständige Dauerbelastung über Jahre hinweg unzuverlässig werden, die Fehler fallen dort nur direkt auf und äußern sich nicht nur durch Abstürze oder Rechenfehler.

Daher scheint der Preis für Cheyenne recht hoch, er dürfte auf jeden Fall deutlich über dem Schrottwert der Komponenten liegen, auch wenn dort durch die Wasserkühlung viel Kupfer für Leitungen und Kühlkörper verbaut ist. Die ständig undichte Kühlung ist nach Angaben der Betreiber auch ein Grund für den Verkauf der Maschine. Wer sie, wenn auch nur teilweise, wieder in Betrieb nehmen möchte, braucht also auch ein Rechenzentrum, das auf Wasserkühlung ausgelegt ist. Eine Umrüstung auf Luftkühlung ist bei den von SGI gebauten Racks und Blades kaum möglich, weil es dabei um Dichte an Rechenleistung geht: 288 Xeons stecken in einem Rack, das über eine Tonne wiegt.

Daher ist auch der Abtransport von Cheyenne, wie die Verkäufer ausdrücklich betonen, nur von Spezialisten zu bewältigen - selbstverständlich muss die Maschine vor Ort abgeholt werden. Der Rechner besteht aus 28 Compute-Racks mit je 1087 Kilogramm, 14 Racks mit Kühleinheiten zu je 635 Kilo, 7 Racks für die Verteilung des Wassers (374 Kilo) sowie 2 Racks für I/O mit je rund 500 Kilo. Und wer nun vielleicht doch auf den Altmetallpreis schielt wird auch enttäuscht: Das Rechenzentrum gibt an, dass Cheyenne komplett von Kabeln, Glasfasern und Wasserleitungen getrennt wurde, diese Teile sind nicht Teil des Kaufs.

Der Nachfolger von Cheyenne heißt Derecho, steht im gleichen Rechenzentrum und wurde bereits in Betrieb genommen. Er ist mit noch nicht in den Top-500-Listen gewerteten 19,9 Petaflops dreieinhalb so schnell, Angaben zum Energiebedarf liegen noch nicht vor. Derecho besteht aus 2488 Compute-Einheiten mit AMDs Epyc-CPUs (Milan), die von 82 GPU-Einheiten mit insgesamt 328 A100-GPUs von Nvidia unterstützt werden.

(nie)