Raketenstarts in der Nordsee ab Sommer

Eine Allianz um die Bremer Raumfahrtfirma OHB will nach Verzögerungen in Kürze erste kleine Raketen testweise von einer schwimmenden Plattform aus starten.

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Rakete startet von einem Schiff

Bisher sind Raketen in der Nordsee nur in Computergrafiken gestartet.

(Bild: German Offshore Spaceport Alliance)

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Die seit einigen Jahren geplante schwimmende Startplattform für kleine Trägerraketen in der Nordsee soll im Sommer probeweise ihren Betrieb aufnehmen. Im Oktober hieß es noch, im April werde es losgehen. Doch diese Zeitvorgabe war nicht zu halten. Die vorgesehene Demonstrationsmission werde nun Mitte Juni oder Juli erfolgen, erklärte Marco Fuchs, Vorstandsvorsitzender von OHB (Otto Hydraulik Bremen), laut Berichten am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz der Raumfahrtfirma. OHB gehört zu den Mitgliedern der German Offshore Spaceport Alliance (GOSA), die den maritimen Raketenstartplatz betreiben und damit auch einer wachsenden Anzahl von Start-ups und mittelständischen Unternehmen aus dem "New Space"-Segment einen Zukunftsmarkt erschließen will.

Eine OHB-Sprecherin bestätigte den neuen voraussichtlichen Termin der Demo gegenüber heise online. Die zeitliche Verschiebung um ein paar Monate sei unter anderem den Genehmigungsverfahren geschuldet. Nun sei OHB aber guter Dinge, loslegen zu können.

In dem zweiwöchigen Test sollen vier Raketen gestartet werden. Die größte ist die Fornax der Danish Student Association for Rocketry (DanStar) mit einer Länge von 4,53 Metern und einem Durchmesser von 203 Millimetern, die 8,77 Kilometer hoch fliegen soll. Im Mittelfeld liegen die Nova 1 von den Friends of Amateur Rocketry (FAR) und die Aquila vom Space Team Aachen, für die Flughöhen von rund 12 und 10 Kilometern vorgezeichnet sind. Als Leichtgewicht mit 15 Kilogramm Eigenmasse soll die vier Meter hohe SDART von T-Minus aus den Niederlanden rund 42 Kilometer Abstand von der Erde erreichen.

Alle vorgesehenen Flughöhen sind noch weit vom All entfernt. Die Grenze vom Luft- zum Weltraum hat der Verband Fédération Aéronautique Internationale (FAI) bei einer Höhe von 100 Kilometern festgelegt ("Kármán-Linie"). Mit den suborbitalen Raketenstarts und den damit verknüpften kleineren Forschungsmissionen will die Allianz aber praktische technische Erfahrungen und Know-how sammeln, um künftig auch komplexere Starts umzusetzen und Kleinsatelliten "einfach, zuverlässig und kostengünstig" ins All zu bringen. Jeder Start soll von einem Kontrollschiff und einem neuen multifunktionalem Kontrollzentrum in Bremen begleitet werden, um etwa das Wetter und die Bedingungen vor Ort genau im Blick zu behalten. Diese Infrastruktur will die GOSA auch für künftige Missionen verwenden und im Rahmen der "Höhenforschungsflüge" ausprobieren.

Die GOSA will eine mobile Startplattform für sogenannte Mikrolauncher errichten, um dem steigenden Bedarf auf dem Markt kommerzieller Kleinsatelliten zu begegnen. In diesem Jahrzehnt werden laut GOSA viermal mehr solcher Erdtrabanten gestartet als im vorigen. Dies führe zu Engpässen bei den landbasierten Abschussrampen. Daher sei der Betrieb einer weiteren europäischen Startinfrastruktur im Meer so entscheidend. Mit dieser soll ein spezielles Startschiff die Raketen rund 350 Kilometer vor der deutschen Küste noch im Souveränitätsgebiet der Bundesrepublik abschießen.

OHB-Chef Fuchs sieht Deutschland bei Mikrolaunchern gut aufgestellt. Ein Ableger des Bremer Unternehmens, die Rocket Factory Augsburg (RFA), arbeitet seit Jahren an der dreistufigen Kleinrakete RFA One. Die soll nun frühestens am 1. August vom SaxaVord Spaceport auf den Shetland-Inseln aus erstmals starten. Zunächst war Ende 2023 als Starttermin im Gespräch. RAF unterzeichnete im Juni zudem mit der französischen Raumfahrtagentur CNES eine verbindliche Vereinbarung, um zusätzlich vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten zu können.

Fuchs äußerte sich aber auch anerkennend für die Wettbewerber Isar Aerospace aus Bayern und HyImpulse aus Baden-Württemberg, die eigene Mikrolauncher entwickeln. OHB überraschte voriges Jahr mit der Ankündigung, den US-Finanzinvestor KKR an Bord zu holen. Dieser will 338 Millionen Euro einbringen und damit Großaktionär werden. 30 Millionen davon sollen an die RFA gehen, um deren Kleinrakete abheben lassen zu können.

(anw)